Ich weiß nicht mehr genau welcher Tag es war aber ich weiß, es war Mitte Dezember.. Ich war mit meiner Mama beim Augenarzt. Ich hatte wieder diesen Nebel, diesen milchigen Schleier im Auge.. Es war nach 4 Jahren wieder da, ganz plötzlich und ohne Vorwarnung nur dieses Mal am rechten Augen..
Als es vor 4 Jahren am linken Auge war, hab ich vom Augenarzt Kortison bekommen und mir wurde damals nur gesagt, dass wenn es wieder kommen sollte ich direkt zum Augenarzt soll und nicht zu lange warten soll.. Mir wurde nicht gesagt, dass es MS sein könnte, ich wurde darauf nicht vorbereitet..
Um ehrlich zu sein, habe ich damals nie was von MS gehört.. Ich war Jung, gerade mal 20 Jahre alt und habe mich irgendwie unsterblich gefühlt.. Nichts desto trotz wurde ich vom Augenarzt zum Neurologen geschickt, dieser stellte mir nur eine Einweisung aus, machte paar Telefonate und schickte mich ins Bundeswehrkrankenhaus. Für „tests” , es viel immer noch Kein Wort zum Thema MS..
Im Krankenhaus wurde als aller Erstes eine Anamnese gemacht. Danach kam ein Neurologe, ein Zweiter und ein Dritter . Ich wurde gewogen, gemessen und untersucht. Ich bekam ein MRT vom Kopf und Rücken mit Kontrasrmittel.
Die Ärzte hatten einen Verdacht, wollten aber noch eine Untersuchung durchführen. Sie sollte ein bisschen „Unangenehm” sein.. Ein bisschen war gut, ich wróg damals über 115kg und somit erleichterte ich die Untersuchung auch nicht. Die Ärzte brauchten Liquor (Nervenwasser).. Wie bekommt man es und was ist es ? Eine Lumbalpunktion ist nichts anderes als eine Riesen Spritze und diese wird zwischen die Wirbel im Rücken gejagt.. Ich war Übergewichtigt, das erschwerte alles. Klar, man könnte es betäuben aber falls der Arzt gegen den Knochen kommen würde, würde es so oder so sehr schmerzen. Oh ja und wie..
Ich weiß nur, dass ich nach der Untersuchung Kreidebleich ins Zimmer kam und meine Mama aufschrie als sie mich gesehen hatte. Wieso ? Also so schlimm sah ich doch nicht aus, dann schrie Sie ganze Zeit dein Arm Blutet dein Arm… Ich habe mich Anscheind selber gekratzt, so tief das ich echt überall tropfte. Wie komisch doch der Mensch konstruiert ist, man fügt sich selbst schmerzen hinzu um andere nicht zu spüren bzw. um sich vom Hauptschmerz abzulenken..
Es folgten weitere Sehtest, Untersuchungen etc. Bis ich Mittags meine erste Infusion mit Kortison bekommen habe. Flash! Rotes Gesicht, innere Hitze, Übelkeit und mein Gesicht war so angeschwollen wie Ein Schwamm..
Am nächsten Tag die Diagnose. Multiple Sklerose! Unheilbar. Nervenkrankheit.
Ich wusste echt nicht um was es geht vor allem meine Mama. Wir sind ja Polen aber keine Sorge integriert. Doch irgendwelche Außergewöhnliche Krankheiten kennt meine Mama nun mal nur auf Polnisch…
Nachdem die Ärzte das Patientenzimmer verlassen habe griff ich sofort zum Handy und fing an zu googeln.. Eine Katastrophe. Vorwiegend Bilder von Menschen im Rollstuhl, Pflegebetten und weiß der Teufel. Nein, das konnte doch nicht sein. Ich Wurf mein Handy an die Wand als ich entsetzt die Stimme von meiner Mama gehört habe „Karolina“ . Ich erstarrte, wie soll ich ihr das erklären?
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, ich musste es ihr ja sagen. Ich durfte nicht weinen, ich musste stark sein und irgendwie ihr auch Mut machen. Ich musste sie schützen, sie hatte schon genug in ihrem Leben durchgemacht. Doch trotzdem, mit jedem Wort den ich aussprach sah ich wie aus ihrem Gesicht die Farbe entwich, wie ihr Augen sich mit Tränen füllten. Mein Herz zerbrach in tausende Stücke. Sie weinte, nicht wie ein Erwachsener sondern voller Schmerz wie ein kleines Kind. Sogar jetzt wo ich das alles schreibe, fließen meine Tränen. Doch damals hatte ich die Kraft meine Tränen aufzuhalten. Ich hatte die Kraft meine Mama noch aufzumuntern. Es wird alles wieder gut wiederholte ich ganze Zeit..
Abends, nachdem meine Mama nach Hause ist konnte ich endlich Zusammenbrechen. Wie ein Häufchen Elend lag ich im Bett und weinte bis ich kraftlos einschlief und jedes Mal wenn ich aufwachte weinte ich weiter. Bis ich irgendwann nicht mehr konnte und dann lag ich da und starrte die Decke an. Es war Pech schwarz im Zimmer. Es war immer noch Nacht. Welche Optionen hatte ich? Liegenbleiben? Selbstmitleid? So bin ich nicht, so war ich nie. Mir war bewusst geworden, dass ich kämpfen muss. Für mich aber auch für meine Mama.
Die anfängliche Euphorie wich als ich mich aufrichtete und plötzlich einen Schwindelanfall hatte. So stark das ich wieder ins Bett viel. Irgendwann hatte ich genug Kraft um ans Fenster zu gehen, ich zog die Vorhänge weg und stand da. Ich fing an zu beten „Vater unser im Himmel“ und „Gegrüßest seist du Maria“ ich fing wieder an zu weinen, ich schüttelte beiden mein Herz aus, ich sprach zu Gott und Maria, ich weinte, ich bettelte das es ein Albtraum ist, ich beschimpfte die beiden, ich sagte sogar für mich gibt es keinen Gott mehr und in diesem Moment sah ich es. Ich konnte meinen eigenen Aufen nicht glauben, wunderschöne und große Schneeflocken. Sie vielen vom Himmel. Es sollte nicht schneien, doch es schneite. Es schneite und die Flocken tanzten am Fenster.
Für mich war es ein Zeichen, ich war nicht allein. Ich wurde gehört und vielleicht angehört. Ich wusste, Gott hat also einen Plan. So verloren wie ich am Anfang war so war ich jetzt wieder voller Mut. Ich wusste, irgendwann und irgendwie wird alles wieder gut.